Kolonisten
Die Bevölkerung speziell Badens war von Kriegen, Plünderungen und Seuchen schwer bedrängt.
Das begann schon in der zweiten Hälfe des 17. Jahrhunderts. So litt Baden besonders unter den Hegemoniebestrebungen und den expansiven Eroberungs-kriegen Ludwig XIV. von Frankreich.
Während Kaiser und Reich in den Türkenkriegen (zweiter Türkenvorstoß auf Mitteleuropa 1663 – 1699) gebunden waren, versuchte Ludwig XIV. von Frankreich, seine starken Hegemoniebestrebungen gegen deutsche Länder umzusetzen. Dazu gehört vor allem der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697), auch Orleanscher Krieg genannt, der fast zur völligen Zerstörung Badens führte (das Land war im wahrsten Sinne des Wortes verbrannt).
Schon der Holländische Krieg (1672 – 79) war ein expansiver Eroberungskrieg Frankreichs. Er wurde ausgelöst durch den französischen Überfall auf Holland und wurde zu einem gesamteuropäischen Konflikt. Dazu gehört auch der Schwedisch-Brandenburgische Krieg (1675 – 79).
Die französischen Bestrebungen wurden durch Phillip V. fortgeführt. Während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701 – 1714) wurde Nord-Baden Aufmarschgebiet der kaiserlichen Truppen gegen die Franzosen. Wie auch im Holländischen Krieg kam es immer wieder zu Einfällen der Franzosen in Süddeutschland.
In der Folge dieser französischen Einfälle bedrängten herumziehende marodierende Söldnerheere die Bevölkerung, denen wiederum plünderndes und raubendes Gesindel nachfolgte. Seuchen taten ein Übriges.
Dann war es der Große Nordische Krieg (1700 – 1721), und letztlich auch der Siebenjährige Krieg, der auch die Bevölkerung außerhalb der eigentlichen Kriegsgebiete in Mitleidenschaft zog.
Da erschien es vielen eine große Chance, was der dänische König plante. Der dänische König Friedrich V. (*1723/ 1746-1766) wollte zur Kultivierung des reichlich vorhandenen Ödlands (die Heide – Alhede) Kolonisten anwerben, die sich in dieser Region ansiedeln sollten. Diese Absicht war ausschließlich merkantil motiviert, nach dem Moto: Mehr Untertanen = mehr Steuereinnahmen. Denn auch Dänemark und die Herzogtümer hatten unter diesen Kriegen gelitten (Polackenkriege 1658/59 als Teil des Dänisch-Schwedischen Krieges, der Große Nordische Krieg (1700-1721) und letztlich auch der Siebenjährige Krieg (1756-1763). Und die gegenwärtige Rüstung Dänemarks gegen Bedrohungen von außen verschlangen viel Geld.
In den gegenwärtigen Konflikten wollte der dänische König neutral bleiben, sah sich aber dennoch genötigt, stark aufzurüsten (bewaffnete Neutralität).
Da war der Konflikt Dänemark-Gottorf (Gottorf war schwedischer Verbündeter im Nordischen Krieg), der wieder zu Spannungen führte, als der Großfürst aus dem Hause Gottorf als Zar Peter III. den russischen Thron bestieg, und der die vorher an Dänemark verlorenen Gebiete zurückforderte.
Da war der Konflikt England-Frankreich, in dem die französischen Truppen weit nach Norden durch die zu England gehörenden deutschen Provinzen zogen und sogar Harburg belagerten.
Die dänischen Truppen von nur 6500 Mann wurden aufgestockt auf 36.000, ebenso wurde die Flotte verstärkt.
All das kostete Geld. Die großen Aufrüstungen seit 1756 führten zu Schulden, die bald 19,5 Millionen Taler betrugen.
Er fand diese leicht in Süddeutschland, wo viele Menschen an den Folgen des Siebenjährigen Krieges litten.
Johann Friedrich Moritz (Legationsrat) war mit der Werbung beauftragt. In der Frankfurter Reichspost vom 28.4.1759 sprach er vom „nordischen Paradies“. Und es wurden allerlei Versprechungen gemacht für Vieh, Werkzeuge, Tagegelder und Reisekosten.
1759 kamen die ersten Kolonisten. Bis 1762 zogen etwa 4000 Menschen nach Norden. Aber letztlich blieben von den geplanten 4000 Siedlerstellen nur 600.
Vom Chronisten (DAVIDSEN 1987) wird berichtet, die Kolonisten seien mit den schwierigen Verhältnissen in der Heide nicht zurecht gekommen. Das ist in manchen Fällen sicherlich richtig, denn wie sollte man auch von einem gelernten Schneider erwarten, diese schwere und harte Kultivierungsarbeit zu leisten. Und Faule gab es natürlich auch. Aber das war nicht die Regel.
Schließlich gab es schon vorher gleich drei Versuche zur Heide- und Moorkolonisation: 1723, 1751 und 1753. Diese Versuche mit überwiegend einheimischen Bauern sind allesamt kläglich gescheitert. Das erst führte zu der Idee in anderen Regionen um Kolonisten zu werben.
Die Behauptung, die Kolonisten seien nur faul und träge, wurde von den Einheimischen schnell erhoben. So wollten die Kolonisten auf Wilhelminenfeld, und zwar diejenigen, die südlich von Ladelund siedelten, mehr Land zugelegt bekommen. Den Einheimischen war das nicht recht und so schrieben sie entsprechende Behauptungen nach Tondern. Der Inspektor dagegen lobte gerade diese Kolonisten als fleißig und gut aufgestellt (Näheres bei VOLLERTSEN unveröff). Es ging also hier lediglich darum, zu diffamieren, um weitere Landzuteilungen an die Kolonisten zu hintertreiben.
Andere Gründe sind weitaus gewichtiger: Zunächst einmal war den Kolonisten versprochen worden, dass sie Vieh und Ausrüstung erhalten sollten. Der dänische König hielt jedoch diese Zusage nicht. Die Kolonisten fühlen sich getäuscht und waren aufgebracht.
Den Kolonisten wurden kaum oder gar keine Wiesenstücke zugeteilt, die mit Abstand die wichtigste Wirtschaftsquelle der Bauern in dieser Zeit waren.
In der Tat: Gegenüber den vollmundigen Versprechungen des dänischen Königs Friedrich V. , erwartete die Kolonisten eine elende Plackerei. Und sie mussten sich gefallen lassen, von den Einheimischen und der Obrigkeit als „faul“ bezeichnet zu werden (eine beliebte Methode, von den eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten und auch Unwillen abzulenken).
Die Kolonisten beschwerten sich massiv über die Zustände, die sie hier vorfanden, denn Siedlerstellen waren noch gar keine vorhanden, die Neuankömmlinge mussten provisorisch in den umliegenden Orten untergebracht werden, nichts war von der Obrigkeit wirklich vorbereitet worden. Die Obrigkeit begegnete diesen Beschwerden, indem sie Gefängnisstrafen gegen die Beschwerdeführer verhängte
Zum weiteren taten sich die Einheimischen schwer mit den neuen Nachbarn. Die Einheimischen mussten mühsam davon überzeugt werden, sich für die Kolonisten von etwas Ödland zu trennen. Ständige Reibereien waren an der Tagesordnung, Torfstiche der Kolonisten wurden zerstört, frisch angelegte Gärten verwüstet, von Schlägereien einmal ganz abgesehen. Zwischen Kolonisten und Einheimischen bestand eine direkte Feindschaft.
Kolonistenstelle T 5/8 im Kolonistenatlas HANSEN 2011, Bögelhuusfeld
Obwohl der dänische König alle rechtlichen Register zog, die Kolonisten hier „einzusperren“, sind die meisten – aus Not und weil sie ihre Familien so nicht ernähren konnten - wieder abgezogen, oder wie die Obrigkeit es formulierte: desertiert.
Die abziehwilligen Kolonisten mussten auch noch für jede „nachbarliche“ Hilfestellung bezahlen, ein unter den Einheimischen völlig unmögliches Verhalten.
Die Kolonisten scheiterten also weniger an dem harten Leben in der Heide, als am Betrug des dänischen Königs und an der Drangsalierung durch die Einheimischen.
Dennoch hinterließen die Kolonisten eine wertvolle Neuerung: Sie brachten die Kartoffel nach Norden. Daher die Bezeichnung „Kartoffeldeutsche“.
Als Beispiel, wie so eine Stelle dann ausgesehen hat, kann die Kolonistenstelle Bögelhuusfeld gelten , von der es ein Bild im ursprünglichen Zustand gibt . Sie liegt unmittelbar neben der Kolonistenstelle auf Bramstedt Norderfeld.
Lage der beiden erwähnten Kolonistenstellen (roter Kreis) und des ersten Aussiedlerhofes von 1864 (blauer Kreis). Die Landesstraße L 192 (sogenannte Grenzstraße oder Betonstraße) existierte noch nicht. Ihr ungefährer Verlauf ist Hellblau markiert [1]
Diese Kolonistenstelle ist auch Beispiel dafür, was den Kolonisten zugemutet wurde. 1764 heißt es „Der Platz ist im Winter wegen Hochwassers nicht zu erreichen“ (HANSEN 2011)
Anmerkung
[1] Ausschnitt aus dem Messtischblatt 1120 der Königl. Preuss. Landesaufnahme 1878 (herausgegeben 1880). Nachdruck Landesamt für Vermessung und Geoinformation, Kiel.
Literatur
HANSEN (2011) Johannes und Ilona Hansen: Kolonisten-Atlas. Erstellt in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Plaggenkacke. CD.
VOLLERTSEN (unveröff.) Anita Vollertsen: Die Kolonisten im Kirchspiel Ladelund. Forschungsergebnisse von Frau Anita Vollertsen, Ladelund. Herausgegeben vom Arbeitskreis PLAGGENHACKE, Kolonisten und Familienforschung.
verwendete, nicht direkt zitierte Literatur:
CLAUSEN (1988) Otto Clausen: Flurnamen Schleswig-Holsteins. 2. erw. Aufl. 1988, Verlag Heinrich Möller Söhne, Rendsburg.
EVERS (2010) Günter Evers: Weg der Verzweifelten. Das elende Schicksal der Heide- und Moorkolonisten. Arbeitskreis Plaggenhacke 2010.
Flensburger Tageblatt 6. Oktober 2012: „Erinnerung an die Kartoffeldeutschen“, nach einem Aufsatz von Kjeld Thomsen („Der Nordschleswiger“).